Persönlichkeitstests – Zwischen Wissenschaft und Esoterik
Wer hat nicht schon mal einen Persönlichkeitstest gemacht? Ob bei der Arbeit oder in der Freizeit, die Verlockung, sich selbst besser zu verstehen und etwas über sich selbst zu lernen, ist doch manchmal groß. Doch nicht alles, was glänzt, ist Gold. Viele der populärsten Persönlichkeitstests sind wissenschaftlich fragwürdig und haben mehr mit Esoterik als mit seriöser Psychologie zu tun.
Nehmen wir zum Beispiel den Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI). Dieser Test ist weltweit bekannt und wird von vielen Unternehmen genutzt, um Mitarbeiter*innen zu kategorisieren. Der MBTI teilt Menschen in 16 verschiedene Persönlichkeitstypen ein, basierend auf vier dichotomen Dimensionen: Extraversion vs. Introversion, Denken vs. Fühlen, Wahrnehmung vs. Intuition und Urteilen vs. Wahrnehmen. Diese Dimensionen sollen helfen, die Präferenzen und Verhaltensweisen einer Person besser zu verstehen.
Aber wusstest du, dass der MBTI auf Theorien von Carl Jung basiert, die nie wissenschaftlich validiert wurden? Jung selbst betonte, dass seine Theorien mehr spekulativer Natur seien. Noch problematischer ist, dass Studien gezeigt haben, dass die Ergebnisse des MBTI oft inkonsistent sind. Ein und dieselbe Person kann bei wiederholten Tests unterschiedliche Typen zugewiesen bekommen, je nach Tagesform oder Stimmung. Das zeigt, dass der Test eine geringe Test-Retest-Reliabilität aufweist – ein Kriterium, das für die wissenschaftliche Validität eines Tests entscheidend ist. Trotz seiner Beliebtheit fehlt dem MBTI also eine solide wissenschaftliche Grundlage. Er funktioniert eher wie ein Horoskop mit einem wissenschaftlich anmutenden Anstrich.
Ein weiteres Beispiel für einen weit verbreiteten, aber wissenschaftlich fragwürdigen Test ist der DISC-Persönlichkeitstest. Dieser Test basiert auf einer Theorie von William Marston aus den 1920er Jahren und kategorisiert Persönlichkeiten in vier Haupttypen: Dominant, Initiativ, Stetig und Gewissenhaft. Auch wenn dieser Test in der Unternehmenswelt häufig genutzt wird, um Teamdynamiken zu verstehen oder Führungskräfte zu entwickeln, gibt es wenig wissenschaftliche Evidenz, die seine Validität stützt. Die Kategorien sind zu allgemein und es fehlt an empirischen Studien, die die Wirksamkeit und Genauigkeit des DISC-Modells belegen. Auch hier läuft man Gefahr, in die Barnum-Falle zu tappen – die Aussagen des Tests sind oft so allgemein, dass sich fast jede*r darin wiederfinden kann, was deren Aussagekraft erheblich mindert.
Aber es gibt auch Persönlichkeitstests, die tatsächlich auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhen und valide Ergebnisse liefern. Ein Beispiel dafür ist der Big Five Persönlichkeitstest. Dieser Test misst fünf zentrale Persönlichkeitsdimensionen: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Anders als der MBTI oder der DISC-Test wurde der Big Five-Test in zahlreichen Studien validiert und ist weltweit anerkannt. Die Big Five basieren auf einem lexikalischen Ansatz und sind das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung. Sie bieten ein differenziertes Bild der Persönlichkeit, das sowohl stabil als auch wissenschaftlich fundiert ist.
Ein weiteres Beispiel für einen seriösen Test ist der HEXACO-Persönlichkeitstest. Dieser erweitert das Big Five-Modell um eine sechste Dimension: Ehrlichkeit-Demut. Auch hier handelt es sich um ein wissenschaftlich fundiertes Modell, das in vielen Studien positive Ergebnisse gezeigt hat. Die zusätzliche Dimension bietet eine noch differenziertere Betrachtung menschlicher Persönlichkeit und ist besonders in der Forschung zu ethischem Verhalten und moralischer Integrität von Interesse.
Was können wir also daraus lernen?
Persönlichkeitstests können durchaus hilfreich sein, wenn sie auf soliden wissenschaftlichen Fundamenten stehen. Aber Vorsicht ist geboten: Nur weil ein Test weit verbreitet ist, bedeutet das nicht, dass er wissenschaftlich fundiert ist. Tests wie der MBTI und DISC mögen nützlich erscheinen, doch sie basieren auf unsicheren theoretischen Grundlagen und nutzen oft den Barnum-Effekt, um uns zu überzeugen. Bevor du also das nächste Mal einen Test machst oder Ergebnisse in dein Team integrierst, lohnt sich ein kritischer Blick. Vielleicht lässt sich so der Esoterik-Falle entkommen und die Entscheidung kann auf eine wissenschaftlich fundierte Grundlage gestellt werden.
Wenn es um Persönlichkeitstests geht, sollten wir uns immer fragen: Möchten wir ernsthafte Einsichten gewinnen oder uns in ein modernes Horoskop vertiefen? Denn nur wer die richtige Grundlage wählt, kann auch wirklich wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Bei der Auswahl eines Persönlichkeitstests ist es daher entscheidend, auf wissenschaftlich validierte Modelle wie den Big Five oder HEXACO zu setzen, um tatsächlich fundierte und verlässliche Ergebnisse zu erhalten.
Zum Weiterlesen:
“How thousands of companies ended up using a bogus psychology test on their staff” (The Independent UK)
Two Reasons Personality Tests Like Myers-Briggs Could Be Harmful (Psychology Today)
The Fake Science behind the DiSC Personality Assessment (Medium)