Natürlich sind wir agil, wir machen Scrum.

Manchmal haben Scrum und Agilität nur wenig miteinander zu tun. Im Alltag sehen wir oft starre Scrum-Implementationen, die zwar dem Rahmenwerk folgen, aber wenig mit echter Agilität zu tun haben. Der Versuch, wirklich agil zu werden, scheitert häufig an bisherigen Denkmustern und dem, was vermeintlich richtig erscheint. Organisationen haben über Jahre – manchmal sogar Jahrzehnte – bestimmte Vorgehensweisen entwickelt, die schwer zu durchbrechen sind. Dabei geht es nicht primär um die Prozesse, sondern vielmehr um die grundlegende Haltung und Überzeugungen.

Scrum und das agile Manifest

Scrum ist ein Framework, das versucht, die Prinzipien des agilen Manifests in die Praxis zu übertragen. Es basiert auf den Werten und Ideen des Manifests. Das Problem: Scrum kann angewendet werden, ohne sich mit den dahinterliegenden Prinzipien auseinanderzusetzen. So entsteht eine scheinbar agile Vorgehensweise, die aber wenig mit echter Agilität zu tun hat. Stattdessen werden alte Paradigmen und Denkmuster weitergeführt. Vieles ändert sich auf der Methodenebene, aber an der grundlegenden Haltung der Beteiligten bleibt alles beim Alten. Der gewünschte Erfolg? Bleibt aus. Die agile Transformation ist gescheitert – ob das nun so benannt wird oder nicht.

Menschen über Prozesse und Werkzeuge

Das agile Manifest stellt den Menschen und seine Interaktionen in den Mittelpunkt. Prozesse und Werkzeuge sind wichtig, sollten aber nie die Hauptrolle spielen. Agilität bedeutet, dass die besten Lösungen durch direkte Kommunikation und Zusammenarbeit entstehen.

In der Praxis heißt das: Wir müssen uns auf die Beziehungen innerhalb und außerhalb der Teams fokussieren. Offene Kommunikation, psychologische Sicherheit und Feedbackschleifen sind essentiell. Vertrauen aufbauen, kommunikative Fähigkeiten entwickeln und Konflikte angehen – das ist der Schlüssel.

Scrum bietet dafür verschiedene Ansätze, wie regelmäßige Retrospektiven, Daily Scrums oder Reviews mit Stakeholdern. Doch Meetings allein genügen nicht. Ohne den richtigen Fokus verpufft ihre Wirkung. Ohne echte Auseinandersetzung mit Missverständnissen, Bedürfnissen und Erwartungen bleiben die Meetings nur neue Prozesse, die stoisch abgearbeitet werden.

Funktionierende Ergebnisse über umfassende Dokumentation

Das Prinzip, funktionierende Software über umfassende Dokumentation zu stellen, lässt sich leicht auf andere Bereiche übertragen. Für uns bedeutet das: Ein fertiger Workshop ist uns wichtiger als eine detaillierte Teilnehmerliste. Natürlich müssen wir die Anmeldungen dokumentieren – aber das hat Zeit. Unser Produkt muss im Fokus stehen.

Scrum betont ein inkrementelles Vorgehen. Doch in der Praxis verlieren sich Teams oft in großen Storys, die über mehrere Sprints hinweg aufgeschoben werden, weil sie zu komplex sind. Dabei geht das inkrementelle Vorgehen verloren. Stattdessen wird das Ziel verfolgt, alles perfekt zu machen, bevor etwas als "fertig" gilt.

Zusammenarbeit über Vertragsverhandlungen

Früher hieß es oft: „Der Kunde ist König.“ Im agilen Kontext sind Kund*innen jedoch nicht „König*innen“, sondern Partner*innen. Wir arbeiten mit ihnen zusammen, um die bestmöglichen Lösungen zu finden.

Scrum bietet hier klare Ansätze: Produktziele, Sprintziele und die enge Zusammenarbeit mit den Stakeholdern durch Reviews und Backlog-Management. Doch in der Praxis wird dieser direkte Austausch oft durch Zwischenebenen wie Key Accounts oder Projektmanager*innen blockiert. Die Frage, wie echte Zusammenarbeit auf Augenhöhe aussehen kann, bleibt oft unbeantwortet.

Reagieren auf Veränderung statt starre Pläne verfolgen

In vielen Organisationen gibt es immer noch langfristige Planungen über mehrere Monate hinweg. Natürlich brauchen wir grobe Pläne, um eine Richtung vorzugeben. Aber Agilität bedeutet, flexibel genug zu bleiben, um auf Veränderungen reagieren zu können.

In der Realität kosten solche Planungen oft viel Zeit, weil sich Teams in Details verlieren und versuchen, eine verbindliche Aussage zu treffen. Statt inkrementell und iterativ vorzugehen, wird versucht, möglichst genaue Pläne zu erstellen – und wenn sich die Umstände ändern, fällt es schwer, sich davon zu lösen.

Scrum fordert uns auf, in Iterationen zu denken und unsere Pläne regelmäßig zu überprüfen und anzupassen. Doch in der Praxis werden Pläne oft als starres Konstrukt angesehen, das umgesetzt werden muss. Agilität bedeutet aber, dass Pläne auch mal „murks“ sein dürfen, wenn sich die Umstände ändern.

Paradigmen erkennen und bearbeiten

Scrum ist ein Framework, das uns dabei hilft, das agile Manifest in die Praxis umzusetzen. Doch um wirklich agil zu werden, müssen wir die tief verwurzelten Paradigmen in unseren Organisationen erkennen und hinterfragen. Nur so wird der Mehrwert von Agilität sichtbar und erlebbar. Eine starre Umsetzung von Scrum, ohne die zugrunde liegenden Haltungen zu bearbeiten, bleibt „alter Wein in neuen Schläuchen“.

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