Warum ein “Ja”, obwohl ich “Nein” fühle?
Im Arbeitsalltag gibt es zahlreiche Situationen, in denen Menschen dazu neigen, Ja zu sagen, obwohl sie innerlich ein Nein verspüren. Typische Situationen hierfür sind zum Beispiel:
Übernahme zusätzlicher Aufgaben
Kolleg*innen oder Vorgesetzte bitten um Unterstützung bei einem Projekt oder einer zusätzlichen Aufgabe — im Sinne des Teamworks sagt hier kaum jemand nein.
Teilnahme an Meetings oder Events
Man wird zu einem Meeting oder einem Firmen-Event eingeladen und obwohl der Kalender schon überfüllt ist, sagt man natürlich zu.
Annahme von unrealistischen Deadlines
Ein Projekt soll in einer sehr kurzen Zeitspanne abgeschlossen werden und eigentlich ist direkt schon klar, dass das nichts wird — macht aber nichts.
Ignorieren eigener Bedürfnisse
Man arbeitet durch, ohne Pausen zu machen oder persönliche Bedürfnisse zu berücksichtigen — immerhin hat man eine Fertigstellung zugesagt.
Einwilligung zu nicht zustimmenden Meinungen
In einer Diskussion oder einem Meeting stimmen alle einer Idee oder einem Vorschlag zu. Obwohl man selbst Zweifel oder Bedenken hat, behält man diese lieber für sich und stimmt, wie alle anderen, zu.
Übernahme von Aufgaben außerhalb der eigenen Rolle
Man wird gebeten, Aufgaben zu übernehmen, die nicht zum eigenen Tätigkeitsbereich gehören. Man fühlt sich überfordert oder aber muss deswegen eigentliche Aufgaben ruhen lassen. Das gehört einfach dazu, wir wollen uns ja schließlich gegenseitig unterstützen.
Zustimmung zu Überstunden
Man wird gebeten, länger zu arbeiten oder am Wochenende einzuspringen und das passt eigentlich gar nicht. Aber dann verschiebt man eben private Verpflichtungen, was muss, das muss.
Das “Ja” sagen, obwohl gute Gründe für ein “Nein” vorliegen, kann auf verschiedene innere Antreiber zurückgeführt werden, die unser Handeln unbewusst beeinflussen.
Ursachen und Gründe für ein unpassendes “Ja”
Wer vom inneren Antreiber “sei perfekt” in den Handlungen geleitet wird, hat möglicherweise Befürchtungen den eigenen hohen Ansprüchen nicht gerecht zu werden oder Kritik zu erhalten. Deshalb sagen diese Personen lieber Ja und übernehmen zusätzliche Aufgaben, um die angestrebte Perfektion auch zu demonstrieren.
Wer innerlich glaubt, dass Schwäche eher nicht gezeigt werden sollte und sich von einem “sei stark” antreiben lässt, versucht immer belastbar und unverwundbar zu erscheinen. Um dies zu gewährleisten, wird auch bei einer vorliegenden Überlastung lieber ja gesagt.
Die Angst vor Ablehnung und Konflikten steckt im Antreiber “sei gefällig”. Die Zustimmung und Wertschätzung anderer ist von so elementarer Bedeutung, dass ein Ja viel einfacher über die Lippen geht, als ein Nein — auch dann, wenn die eigenen Kapazitäten eigentlich erschöpft sind.
Innere Eile und Hektik haben ihre Ursache im Antreiber “mach schnell”, um nichts zu verpassen und das eigene anspruchsvolle Tempo auf jeden Fall aufrechtzuerhalten, werden lieber mehr Aufgaben angenommen als eigentlich nötig.
“Was leicht fällt, ist nichts wert” ist ein möglicher Glaubenssatz hinter “streng dich an”. Wer sich hiervon leiten lässt, möchte vor allem nicht als faul oder unengagiert gelten. Zusätzliche Aufgaben, obwohl die Auslastung bereits mehr als ausreichend ist, füttern diesen Antreiber erfolgreich.
Die fünf inneren Antreiber sind in uns Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt, deshalb können auch die Ursachen für ein unpassendes “Ja” unterschiedlich sein. Das Ergebnis ist häufig das selbe: Überlastung, Stress und Situationen, in denen sich Menschen überfordert fühlen.
Das Nein sagen üben
Das Konzept der inneren Antreiber ist nicht starr, sondern anpassbar. Selbstreflexion, neue Glaubenssätze und das Ändern der eigenen Verhaltensweisen in kleinen Schritten können die Anzahl unpassender Jas minimieren: Das Nein sagen kann man, abhängig vom dominanten Antreiber, üben.
Im Falle der Perfektionismus hilft es zum Beispiel sich selbst zu erlauben, Fehler zu machen und zu erkennen, dass das Beste, was man geben kann, oft ausreichend ist. Regelmäßiges Selbstfeedback kann helfen, den Perfektionsdruck zu mindern.
Wer sich vom Antreiber “sei stark” antreiben lässt, sollte sich bewusst machen, dass es in Ordnung ist, um Hilfe zu bitten und seine eigenen Bedürfnisse zu äußern. Kleine Schritte, wie das Teilen von Herausforderungen mit vertrauenswürdigen Kollegen, können den Umgang mit diesem Antreiber erleichtern.
Der “sei gefällig”-Antreiber lässt sich am Besten im Zaum halten, wenn man übt Nein zu sagen, und erkennen, dass eigene Bedürfnisse genauso wichtig sind wie die der anderen. Sich bewusst Zeit nehmen, um über die eigenen Prioritäten nachzudenken und diese auch zu kommunizieren.
Wer sich bewusst erlaubet, langsamer zu machen und Pausen einzulegen, kann es schaffen dem “mach schnell”-Antreiber ein Schnippchen zu schlagen. Neben hilft es auch zu priorisieren und bewusst entscheiden, welche Aufgaben wirklich wichtig sind.
Der innere Antreiber “streng dich an” muss lernen anzuerkennen, dass auch leichte Aufgaben und Erfolge wertvoll sind. Sich selbst erlauben, effizient und ohne übermäßige Anstrengung zu arbeiten
Um tatsächlich eine Veränderung herbeizuführen und zu lernen auch mal Nein zu sagen, ist es wichtig, sich der eigenen inneren Antreiber bewusst zu werden und konkrete Strategien zu entwickeln, um diese Antreiber dann auch (Schritt für Schritt) zu überwinden. Mögliche Varianten hierbei sind:
- Klare Prioritäten setzen: Regelmäßig die eigenen Aufgaben und Projekte priorisieren, um zu erkennen, welche Anfragen tatsächlich wichtig und dringend sind.
- Aufrichtige Kommunikation: Ehrlich und respektvoll kommunizieren, warum man eine Aufgabe oder Einladung ablehnen muss. Alternativlösungen anbieten, wie beispielsweise einen anderen Termin oder die Weitergabe der Aufgabe an eine geeignete Person.
- Grenzen setzen: Sich bewusst Pausen und Erholungszeiten einplanen und diese auch verteidigen. Eigene Grenzen erkennen und respektieren.
- Selbstreflexion üben: Regelmäßig reflektieren, welche inneren Antreiber gerade aktiv sind und wie diese das eigene Verhalten beeinflussen. Diese Reflexion kann helfen, in Zukunft bewusster Entscheidungen zu treffen.
- Unterstützung suchen: Sich Unterstützung von Kolleg*innen, Vorgesetzten oder einem Coach holen, um den Umgang mit den inneren Antreibern zu üben und zu verbessern.
Das Ja-Sagen, obwohl man Nein denkt, ist oft tief in unseren inneren Antreibern verwurzelt. Indem wir diese Antreiber erkennen und bewusster mit ihnen umgehen, können wir lernen, unsere eigenen Grenzen besser zu wahren und öfter Nein zu sagen. Dies erfordert Mut, Selbstreflexion und Übung, aber es führt letztlich zu einem gesünderen und nachhaltigeren Arbeitsumfeld.
In unserem Team-Workshop “Wie wir ticken” könnt ihr euch im Team aktiv mit euren individuellen inneren Antreibern auseinandersetzen und euch selbst sowie euer Team besser kennenlernen.