Stress verschwindet nicht einfach
Arbeit kann sich anfühlen wie das Laufen im Hamsterrad — es gibt zwar Bewegung, aber so richtig voran kommt man nicht. Viele Unternehmen glauben, dass der Umstieg auf agile Arbeitsmethoden dieses Gefühl beseitigen kann, weil durch “Agilität” ja alles besser wird und damit auch der Stress weggeht. Doch oft kann Agilität dieses vermeintliche Versprechen nicht einlösen. Der Stress verschwindet nicht einfach, nur weil nun „agil“ gearbeitet wird.
Klar, bringt agiles Vorgehen Vorteile: Anpassungsfähigkeit, bessere Zusammenarbeit, kontinuierliche Verbesserung und vieles mehr. Aber die Realität sieht oft anders aus. Das Hamsterrad bleibt bestehen, nur läuft es jetzt vielleicht etwas geschmeidiger. Woran liegt das?
Erwartungen vs. Realität
Viele Organisationen setzen auf Agilität in der Hoffnung, dass damit automatisch weniger Stress und mehr Zufriedenheit bei den Mitarbeitenden entsteht. Doch wenn die Grundprobleme nicht angegangen werden, bringt auch die beste agile Methode nichts. Was sind diese Grundprobleme?
1. Überhöhte Arbeitslast: Wenn das Arbeitspensum nicht reduziert wird, sondern lediglich in kleinere, flexiblere Pakete verpackt wird, bleibt der Druck bestehen. Das Wissen darüber, dass im Backlog noch unzählige weitere Aufgaben liegen, die schnellstmöglich umgesetzt werden sollen, lässt das Hamsterrad weiterlaufen. Es sieht nur anders aus.
2. Fehlende Priorisierung: Agil zu arbeiten bedeutet nicht, alles gleichzeitig zu tun. Ohne klare Prioritäten fühlen sich Mitarbeitende schnell überfordert. Leuchtturmprojekte, mehrere Aufgaben mit der höchsten Priorität helfen nicht und gehen allein durch agile Vorgehensweisen nicht weg.
3. Kultur des ständigen Wandels: Veränderung ist gut, aber ständige Umstellungen können auch Unsicherheit und Stress erzeugen, wenn sie nicht richtig gemanagt werden. Wenn Ungewissheit und ständig wechselnde Vorgehensweisen Energie und Kapazitäten fressen, werden Teams in der Regel eher langsamer als schneller — dessen sollte man sich immer bewusst sein.
Agilität als Mittel, nicht als Ziel
Agilität sollte nicht das Ziel an sich sein, sondern ein Mittel, um bestimmte Ziele zu erreichen: bessere Zusammenarbeit, schnellere Reaktion auf Veränderungen, höhere Produktqualität. Doch ohne eine unterstützende Unternehmenskultur und Veränderungen, die tiefer greifen als Veränderungen der Arbeitsprozesse wird auch die agilste Methode nicht zum Erfolg führen.
Kultur der Wertschätzung und Unterstützung
Ein Teil des Stresses kommt nicht immer von der Arbeit selbst, sondern von der Art und Weise, wie wir miteinander umgehen. Wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, dass ihre Anstrengungen wertgeschätzt und ihre Bedürfnisse ernst genommen werden, kann das viel Stress abbauen — auch dann, wenn die Schreibtische voll sind. Hier einige Ansätze:
- Offene Kommunikation: Es braucht Raum für ehrliche Gespräche. Wenn jemand überfordert ist, sollte er oder sie das ohne Angst äußern können. Das Stressgefühl, wenn vorhanden, sollte Teil der regelmäßigen Kommunikation und Reflexion sein. Nur dann, können auch geeignete Maßnahmen entwickelt werden.
- Realistische Erwartungen: Ziele sollten überdacht werden und es sollte sichergestellt werden, dass sie auch erreichbar sind. Unrealistische Deadlines, falsche Versprechen und fehlerhafte Planungen führen nur zu Frustration und im Extremfall zum Burnout.
- Regelmäßige Pausen: Agilität bedeutet nicht, ununterbrochen zu arbeiten. Regelmäßige Pausen sind wichtig, um langfristig leistungsfähig und gesund zu bleiben. Auch geht es darum ein realistisches Pensum zu finden, welches für eine lange Zeit gehalten werden kann. Dann haben alle die Chance in eine gute Balance zwischen Leistung und Entspannung zu kommen und ihren ganz persönlichen Energiehaushalt zu schützen und optimal einzusetzen.
Agilität kann viel Positives bewirken, aber sie ist kein Wundermittel gegen Stress und Überforderung. Es ist wichtig, dass wir die Arbeitslast realistisch einschätzen, die Kommunikation verbessern und eine Kultur der Wertschätzung und Unterstützung schaffen. Nur dann können wir wirklich von den Vorteilen agiler Arbeitsmethoden profitieren und das Hamsterrad langsam aber sicher zum Stillstand bringen.
Wer glaubt, dass die Einführung agiler Methoden “das Stressproblem” schon lösen wird, denkt in der Veränderung zu kurz und läuft Gefahr sämtliches Engagement im Keime zu ersticken.