PDCA oder doch nur PD?

Retrospektive für Retrospektive werden Beschlüsse gefasst. Es werden Maßnahmen ausgetüftelt, Teamregeln festgelegt. In der nächsten Retrospektive wird brav die Beschlusskontrolle durchgeführt: “Ja, haben wir.” Wunderbar. Grüner Haken dran. Alle freuen sich. Doch: Da fehlt etwas. Da fehlt die ganz zentrale Frage: “Und was hat es bewirkt?” — denn der PDCA-Zyklus besteht aus vier Phasen: Plan, Do, Check, Act. Die Idee ist sich zu überlegen, was getan werden könnte, und sich für eine Variante zu entscheiden (Plan), diese wird dann in der Praxis erprobt (Do), anschließend wird überprüft, welche Wirkung diese Maßnahme hatte (Check) und zuletzt wird überprüft, ob die Maßnahme fortgeführt, vielleicht sogar ausgerollt oder abgebrochen wird (Act).

Jedes “das haben wir schon immer so gemacht” ist mit einer Idee gestartet. Einer Idee, die vermutlich ein Problem lösen sollte. Diese Idee wurde fortan umgesetzt. Vielleicht wurde im Anschluss sogar noch ein Check durchgeführt und auf die Frage: “Habt ihr das umgesetzt?” fleißig mit “Ja” geantwortet. Zu überprüfen, ob die entsprechende Maßnahme tatsächlich einen Beitrag zur Zielerreichung geleistet hat, und ob sie genauso, wie sie ausprobiert wurde, weiter fortgeführt werden sollte, ist im Arbeitsalltag aber irgendwie untergegangen.

Die 6 Phasen der Retrospektive

Schauen wir uns als Beispiel die Retrospektive an: Das Setting von Retrospektiven ist prädestiniert für einen PDCA-Zyklus. Die Retrospektive beleuchtet ein Thema, mit welchem sich das Team auseinandersetzen möchte. Am Ende beschließen die Teammitglieder Teamregeln oder Maßnahmen, um eine Veränderung innerhalb dieses Themas möglich zu machen. In der nächsten Retrospektive finden dann die Phasen Check und Act ihren Platz, bevor es wieder in Plan und Do geht. Die Retrospektive besteht also eigentlich aus Check - Act - Plan. Das Do findet den zwischen Retrospektiven statt.

Wie nun aber Check und Act sinnvoll in die Retrospektiven integrieren? Zuerst einmal ist die Beschlusskontrolle natürlich der erste Teil des Checks. Damit eine Maßnahme auf ihre Wirksamkeit überprüft werden kann, muss zunächst klar sein, ob diese Maßnahme auch tatsächlich umgesetzt wurde (wenn Maßnahmen nicht erledigt wurden, kann dies übrigens auch ein Hinweis sein: dazu ein anderes Mal mehr). In den wenigen Minuten der Beschlusskontrolle ist es häufig nicht möglich, den Check noch ausführlicher zu gestalten, geschweige denn noch die Act-Phase mit einzubauen. Für die Frage: “Hat das funktioniert, wie ihr es euch vorgestellt habt?” oder “Welche Wirkung hat das erzielt?” ist allerdings immer genug Zeit. Wenn die Zeit hierfür nicht ausreicht, gilt es die Menge der beschlossenen Maßnahmen einmal zu überprüfen. Vielleicht versucht das Team zu viele Baustellen gleichzeitig anzugehen, vielleicht versucht es auch, sich maximal abzusichern, das heißt, durch viele Maßnahmen sicherzustellen, erfolgreich zu sein. Dabei wird aber das agile Prinzip Nr. 10 ignoriert, welches besagt: “Einfachheit — die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren, ist essenziell.” Wir wollen nicht mehr tun als notwendig. Wir wollen genau das tun, was hilft. Das heißt nicht, dass alle versuchen möglichst gar nichts zu tun — es heißt, dass genau soviel getan wird wie nötig.

Auf die Frage: “Hatte die Maßnahme Wirkung?” gibt es drei mögliche Antworten: Ja, Jein, Nein. Bei Ja und Nein als Antwort stellen wir häufig die Folgefrage: “Macht ihr das weiter?” Die Act-Phase ist nach dieser Antwort abgehakt. Entscheidet sich ein Team dagegen, eine Maßnahme fortzuführen (was vielen übrigens schwerfällt), kann ich als Coach einmal daran erinnern, dass das Thema aus der letzten Retrospektive also gerade nicht mehr über eine Maßnahme beackert wird und es ggf. hilfreich sein könnte, wenn es in Gather Data wieder zum Vorschein kommt — vielleicht ist das Thema aber auch nicht mehr relevant.

Komplizierter wird das Vorgehen, wenn die Antwort auf die Wirkung eher ein “Jein” ist. Denn hier zeichnet sich Gesprächsbedarf ab — ein Gesprächsbedarf, der innerhalb der Beschlusskontrolle nicht befriedigt werden kann. Wir empfehlen an dieser Stelle, dass das Team sich für einen generellen Umgang mit “Jein”-Themen entscheidet. Ein beispielhafter Umgang könnte sein: “Immer dann, wenn wir uns nicht einig oder sicher sind, ob eine Maßnahme die Wirkung hatte, die wir uns erwünscht hatten, kommt das Thema automatisch in der Retrospektive wieder auf den Tisch. Wir haben dann Gelegenheit, sowohl die Maßnahme als auch das dahinterliegende Thema erneut zu besprechen.” In Gather Data wird dann also nur noch ein zusätzliches Thema ausgewählt. Die Phase Act integriert sich somit direkt in die Retrospektive.


Das oben beschriebene Vorgehen erfordert sehr viel Moderationsgeschick und kann für den Coach als auch für Team herausfordernd sein. Ein alternatives oder auch zusätzliches Vorgehen ist eine ritualisierte Überprüfung der Teamregeln und Maßnahmen. Hierfür braucht es in einer festen Taktung, z. B. alle sechs Retros ein gesondertes Meeting, in dem all die Maßnahmen der letzten Retrospektiven, ebenso wie alle aktuell gültigen Teamregeln reflektiert und ggf. angepasst werden. Dieses zusätzliche Ritual kann helfen, wenn es mehr Tiefe benötigt, um die Wirkung bestimmter Maßnahmen und Vereinbarungen zu reflektieren. Es entbindet nicht von der Beschlusskontrolle in jeder Retrospektive, kann diese aber deutlich straffer gestalten. Über diesen Weg findet ein Teil des Checks und das Act also im neuen Ritual statt.

Für welche Variante ihr euch auch immer entscheidet: Ihr solltet euch für eine entscheiden. Denn ein PDCA-Zyklus ohne C und A ist nur ein PD. Und jedes “das haben wir schon immer so gemacht” ist aus einem solchen PD entstanden. Die Idee hinter Agilität ist es, die ständige Veränderung und Anpassung des eigenen Vorgehens als Vorteil zu begreifen und für sich zu nutzen. Findet kein Check und kein Act statt, findet auch deutlich weniger Anpassung statt. Dies kann gerade in komplexen Umfeldern hinderlich werden. Und es blockiert das Lernen.


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Agilität ist kein Selbstzweck

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Confirmation Bias und Konflikte