Confirmation Bias und Konflikte
In der Regel treffen wir in unserem Arbeitsalltag faktenbasierte Entscheidungen. Wir nutzen unser Fachwissen, unsere Kompetenz und unsere Fähigkeiten, um das Was und Wie einer Aufgabe zu definieren.
Dabei haben wir gelernt: Es geht um Sachlichkeit. Wenn meine Kollegin einer anderen Ansicht ist, tauschen wir uns aus. Ich höre ihre Argumente, ihre Bedenken, ihre Ideen. Und im besten Fall habe ich etwas dazugelernt. Gleichzeitig ist der Delegationsgrad klar: Ich habe Meinungen eingeholt und treffe die finale Entscheidung. Das Ergebnis ist dabei selten schwarz oder weiß — meistens arbeiten wir die Meinungen unserer Kolleg*innen erfolgreich mit ein. Der Austausch sorgt für bessere Entscheidungen.
Aber was geschieht, wenn die Kollegin und ich in der Vergangenheit häufiger Meinungsverschiedenheiten hatten? Wenn wir nicht mehr gut miteinander auskommen, wenn ich mich von ihr in der Vergangenheit verletzt gefühlt habe? Wie sehr höre ich meiner Kollegin auf der sachlichen Ebene dann noch zu?
“Natürlich höre ich ihr noch zu” werden viele von euch jetzt denken. Doch die Erfahrung zeigt: Das ist nicht immer der Fall und künstliche Sachlichkeit löst kein Problem. Natürlich ist das “Nicht-Zuhören” in der Regel ein unbewusster Vorgang und ist deswegen meist nicht offensichtlich. Häufig hören wir auch tatsächlich zu — aber wir hören die Aussagen der Kollegin vermutlich mit einem Confirmation Bias.
Der Confirmation Bias (zu deutsch: Bestätigungsfehler) ist ein psychologisches Phänomen. Es sorgt bei uns Menschen dafür, dass wir Informationen so wahrnehmen und interpretieren, dass sie unsere bereits vorhandene Annahme oder Meinung unterstützen. In der Zusammenarbeit bedeutet das: Gibt es zwischen meiner Kollegin und mir ungelöste Konflikte und damit verbundene negative Emotionen, höre ich ihre Aussagen anders. Ich interpretiere sie möglicherweise geprägt durch meine Emotion. Im Extremfall bedeutet das: Ich höre ihre Aussagen nicht mehr auf der Sachebene, nicht mehr als fachliche Ergänzung meiner Ansicht — stattdessen höre ich zum Beispiel: Sie schätzt meine Meinung nicht, sie stellt meine Kompetenz in Frage, sie hält meine Ansicht für falsch. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass meine Kollegin all dies nicht sagt und nicht meint. Mein Confirmation Bias legt diese Interpretation allerdings nahe. Denn immerhin gab es in der Vergangenheit bereits einen oder mehrere Momente, in denen ich genau das gefühlt habe.
Im Klartext heißt das: Wenn wir Konflikte auf der emotionalen Ebene nicht beilegen, hat dies Auswirkungen auf unsere fachlichen Entscheidungen, weil wir unter Umständen nicht mehr dazu in der Lage sind, alle Sachinformationen möglichst neutral zu erfassen. In der Konfliktlösung ist es deshalb wichtig, immer — wirklich immer — auch die emotionale Ebene zu bearbeiten. Und erfahrungsgemäß vermeiden wir das gerne.
Wenn wir den Confirmation Bias vermeiden und stattdessen fundierte fachliche Entscheidungen treffen wollen, müssen wir lernen, Konflikte auch auf der emotionalen Ebene zu lösen. Das ist nicht immer leicht — im Gegenteil: Oft ist es unangenehm, weil wir uns damit selbst als verletzlich zeigen und zusätzlich das Gefühl haben, die professionelle Ebene zu verlassen.
Emotionen benennen ist professionell
Zusammenarbeit auf Augenhöhe und aufrichtiger Umgang können nur dann entstehen, wenn wir uns auch den unangenehmen Situationen aussetzen. Hierzu gehören auch Kritik und Reflexion. Wenn Entscheidungen, Abläufe und Informationsflüsse schiefgehen und negative Auswirkungen haben, dann löst dies in der Regel auch negative Emotionen in uns aus.
Wir befinden uns dann in einer Situation, in der wir darüber sprechen müssen. Dabei geht es weder um Schuldzuweisungen noch um unkontrollierte emotionale Ausbrüche. Sondern darum zu sagen, was ist. So zu tun, als wären keine Emotionen vorhanden, entspricht in den meisten Fällen nicht der Realität.
Wenn es mir egal wäre, welche Emotionen mein Gegenüber in mir auslöst — wäre das nicht ein Zeichen für fehlende Wertschätzung? Ist es nicht so, dass eine emotionale Reaktion zwei wichtige Dinge zeigt? Ich schätze mein Gegenüber und: Meine Arbeit ist mir wichtig. Geben wir aufrichtiges Feedback in solchen Situationen, zu geben, wird Wertschätzung professionell gelebt. Arbeiten wir so professionell zusammen, lösen wir Konflikte tatsächlich — auch auf der emotionalen Ebene.
Annehmbares Feedback geht auch mit Emotion
Annehmbares Feedback muss annehmbar formuliert sein.
Es muss nachvollziehbar sein.
Es muss sich auf eine konkrete Situation beziehen.
Es muss klarmachen, dass eine Verhaltensweise eine Wirkung auf mich hatte.
Die benannte Wirkung ist dabei nicht anfechtbar. Sie kann ungewollt sein, sie kann unbeabsichtigt sein und sie kann auch ganz viel mit mir selbst zu tun haben. Dennoch ist sie da, und in einer aufrichtigen, empathischen Kommunikation darf sie sein. Meine Emotionalität hilft mir, die Wirkung genauso zu beschreiben, wie ich sie erlebe. Sich wutentbrannt mit lauten Worten Gehör zu verschaffen. ist damit nicht gemeint. Sondern vielmehr, einen Gesprächsraum zu öffnen. Diese Öffnung ermöglicht es meinem Gegenüber, zuzuhören. Meine Beschreibung ermöglicht es, zu verstehen. Ich muss deutlich machen, was mich gefreut, geärgert, irritiert oder gar verletzt hat. Die Tonalität darf meine Emotion für mein Gegenüber erlebbar machen, gleichzeitig muss ich in meiner Emotion aber auch auf mein Gegenüber schauen: Wenn ich verstanden werden will und Empathie erwarte, muss auch ich diese aufbringen.
Wenn wir es also schaffen, unsere Emotionen zu benennen und das Ganze als annehmbares Feedback zu formulieren, durch das wir einen Gesprächsraum öffnen, dann schaffen wir es Konflikte auf der emotionalen Ebene aufzulösen. Wir vermeiden die Entstehung des Confirmation Bias und schaffen einen riesigen Mehrwert für eine aufrichtige Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Wollt ihr mehr über konstruktive Kommunikation lernen? In unserem Team-Workshop “Konstruktive Kommunikation” könnt ihr eure Kommunikationsfähigkeiten im Team verbessern, indem ihr eine offene, wertschätzende Gesprächskultur etabliert.